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Alles Gute, Golf!
Lassen Sie uns das Rad der Zeit ins Jahr 1974 zurückdrehen. Die Welt war sich noch nicht ganz sicher, ab man sich nun schon in der Moderne oder in der Wirtschaftswunder-Verzopftheit befand. Ein schöner Beweis dafür ist die Hitparade dieses Jahres. Auf der einen Seite Ike & Tina Turner mit dem Rock-Stampfer „Nutbush City Limits“ und Status Quo mit „Caroline“, in der anderen Ecke des Rings steht Gunter Gabriel mit „Hey Boss, ich brauch’ mehr Geld“. Und dann waren da noch die Herren Hans Kreuzmayr und Sepp Krassnitzer, die als Waterloo & Robinson mit „Baby Blue“ gerade ihren ersten Achtungserfolg ablieferten. Zwei Jahre, bevor sie Österreich mit „My Little World“ beim Eurovision Song Contest vertreten sollten. Unterschiedlicher geht es kaum.
So ähnlich drastisch war auch bei Volkswagen der Unterschied vom Käfer zum Golf. Bei allem Respekt vor der genialen Konstruktion: Im Jahre 1974 hatte der Käfer nach knapp 40 Jahren Bauzeit nicht nur angegraute Schläfen. Die Briten zeigten der Welt schon 1959 mit dem Mini, wohin die Reise mit der Antriebstechnik gehen sollte.
Gleich zwei Jahre darauf zeigte Renault den legendären 4, der mit seiner Heckklappe eine Art Steilvorlage für alle Kompaktwagen werden sollte. Fiat, damals noch wirklich innovativ, lancierte 1971 den 127, von dem wir sicher sind, dass er genau von den VW-Ingenieuren untersucht worden ist. Sonst im Umfeld? Opel Kadett und Ford Escort, beide mit Kutschenfahrwerk – also Heckantrieb mit hinterer Starrachse.
Alles neu. Und dann war da eben noch der Käfer. Zwar millionenfach bewährt, aber mit luftgekühltem Motor dort, wo der Ko¢erraum hingehört, wirklich uralt. Volkswagen stand also unter Zugzwang. Im Netz finden sich unglaublich viele Entwicklungsaufträge aus dieser Zeit, o¢ensichtlich hatte auch der Vorstand seinerzeit keine Idee, wohin die Reise wirklich gehen sollte. Der EA266 (EA steht für Entwicklungsauftrag) wurde zwar von Ferdinand Piëch selbst konstruiert, war aber mehr so etwas wie ein verkorkster Mittelmotorsportwagen. Ein klein wenig Golf-Züge kann man beim EA276 schon erkennen, der hatte aber immer noch den luftgekühlten Boxer vom Käfer unter der Haube. Sie wissen schon: Luft kocht nicht, Luft friert nicht. Aber auch: Luft heizt nicht – außerdem war der Käfer nie für seine besondere Sparsamkeit berühmt, was in den Jahren rund um die Ölkrise erstmalig zum heißen Thema wurde. Der große Designwurf kam dann aus Italien. Ein gewisser Giorgetto Giugiaro zeichnete eine schlichte Karosserie im Two-Box-Design und gab nebenbei die Linie einer ganzen Modellfamilie vor (Scirocco, Passat, aber das ist eine andere Geschichte). Das Resultat? Der Golf schlug ein wie die sprichwörtliche Bombe. Moderne, wassergekühlte Reihenvierzylinder vorne, innen nun ein Raumangebot, das den Namen auch verdiente – plötzlich war man im Rennen wieder ganz weit vorne. So weit, dass die Kompaktklasse zur Golf-Klasse umbenannt wurde.
Dass der Golf zur Ikone wurde, ist aber nicht nur dem genialen Entwurf Giugiaros zu verdanken – übrigens finden sich einige Designanleihen bis heute am Wagen: Beispiel? Die solide CSäule und die aus dem Kühlergrill ragenden Scheinwerfer. Der Golf erfand sich immer neu. In der Generation eins erschien erstmalig der legendäre GTI, der nicht nur aus Milchbubis echte Racer machte, sondern mit seiner Benzineinspritzung das Verhalten von Motoren zeigte, wie wir es heute gewohnt sind. Nix Choke, Schlüssel umdrehen und losfahren. Ebenfalls im Einser kam der erste Diesel, damals ein Synonym für Nutzfahrzeuge und lahme Taxis. Prof. Ernst Fiala, quasi Vater des Golfs und damaliges Vorstandsmitglied bei Volkswagen, hat uns dazu verraten: „Der Diesel war ja nichts Neues, es gab ja schon deutsche und französische Produkte. Allerdings haben wir die Bedingung, dass es mindestens 50 PS sein müssten, an die Ingenieure weitergegeben.“ Klingt heute nach nicht viel, war aber mehr als ausreichend, um spritzig im Verkehr mitzuschwimmen. Denn: Der Basisgolf wog unter 800 Kilogramm, das schaffen heute nicht einmal mehr Kleinstwagen. Mit dem Zweier kam dann der Allradantrieb Syncro, der auch im bösen Rallye-Golf zum Einsatz kam und eine ganz besondere Schnurre in der GolfGeschichte: der Golf Country. Die Studie Golf Montana erregt 1989 am Genfer Autosalon soviel Aufsehen, dass VW bei Magna – damals noch Steyr Daimler Puch – anklopft, um ein Geschäftsmodell daraus zu machen. Heute gehört der Country zu den gesuchten Raritäten. Im Dreier zog mit dem VR6 eine Prise Oberklasse in den Kompakten ein, der eigentliche Knaller war aber der TDI. Nein, der erste Diesel-Direkteinspritzer im Pkw kam nicht von Audi, es war der Fiat Croma TD i.d. von 1987, die Show hat er aber allen durch die Demokratisierung im Golf gestohlen. Die Kombination aus Sportlichkeit durch mächtiges Drehmoment und Sparsamkeit ist bis heute mustergültig.
Und so ging es immer weiter. Was man sich nur vorstellen konnte, der Golf lieferte stets ab. Ob Kombi, Cabrio, Plug-in-Hybrid, Elektriker – alles war möglich. Der Golf passte stets in seine Zeit – und die Zeit immer zum Golf. Wir wünschen alles Gute zum 50er und freuen uns auf die nächsten Generationen.
-CJ