Reisen und Freizeit
Im Rhythmus der Kastagnetten
Guapa! „Du Wunderschöne“ nennen die Bewohner Sevillas ihre Stadt im Süden Spaniens. Wie ein Kompliment an eine schöne Frau. Mit gutem Grund: Die Diva mit Hang zur Theatralik stieg im 16. Jahrhundert dank ihres perfekten Flusshafens am Rio Guadalquivir zum Welthandelszentrum auf. Die damals größte Stadt des Königreichs Spanien verfügte als einzige über das Monopol für den Handel mit der Neuen Welt. Als Drehscheibe für Eroberer, Missionare, Waffenhändler, Goldschätze sowie Kaufleute erlangte Sevilla unermesslichen Reichtum und wurde zur Metropole des Kapitals und der Kunst für ganz Europa.
Die Hauptstadt Andalusiens ist mit ihrem maurischen Erbe (Alcázar – mittelalterlicher Königspalast und -garten), der barocken Kirchenpracht und zahlreichen Stadtresidenzen des ehemaligen (Geld-6)Adels immer noch prachtvoll. Charmant geht es im mittelalterlichen Barrio Santa Cruz, dem ehemaligen jüdischen Viertel, zu. Im engen Gassenlabyrinth entzücken Häuser im andalusischen Dorfstil, lauschigen Plätzen, plätschernden Brunnen, duftenden Orangenbäumen, blumengeschmückten Balkons und gekachelten Innenhöfen. Weltberühmt wurde Santa Cruz als Schauplatz romantischer Opern wie „Der Barbier von Sevilla“, „Figaros Hochzeit“ oder „Carmen“.
Gigantomanisch gestaltete sich der Bau des Gotteshauses: „Lasst uns eine Kathedrale bauen, so ungeheuer groß, dass jeder, der sie sieht, uns für verrückt hält“ sollen die Kirchenväter anno 1401 als Motto ausgegeben haben. Gesagt, getan: Aus Teilen der ursprünglichen Moschee entstand die drittgrößte Kirche der Christenheit (nach Petersdom in Rom und St. Paul’s in London). Vom maurischen Erbe geblieben sind der Patio de los Naranjos (Orangenhof) und die Giralda, der 93 m hohe Kirchturm und Wahrzeichen Sevillas.
Akustischer Ausdruck von Sevillas Seele ist der Flamenco: Er vereint das Leid der Gitanos mit der Musik der Mauren und liturgischen (Trauer-) Gesängen. Tragendes Element ist der Gesang – Tanz, Kastagnetten und Gitarre sind untergeordnet. Gut dargeboten kommt der Flamenco aus dem Innersten der Seele. Zu erleben ist er in zahlreichen „Tablaos“ (Flamencobühnen). Als führend gilt das Tablao „Los Gallos“.
Vielfalt und Kontraste. „Andalusien ermöglicht eine Reise um den Tag in 80 Welten“, – schrieb der argentinische Schriftsteller Julio Cortázar einst. Er hat recht: Die kontrastreichste Reiseregion Spaniens bietet eine unglaubliche Vielfalt an landschaftlichen und kulturellen Highlights. Der größte Gegensatz: Bade- und Skifreuden liegen nur eine Autostunde voneinander entfernt. Zur gleichen Zeit laden die Pisten der bis zu 3482 m hohen Sierra Nevada sowie die feinen Sandstrände der Costa Tropical ein. Die Vielfalt ist groß: Da warten die berühmten weißen Dörfer der Sierra de Grazalema mit roten Ziegeldächern; die Gebirgsstadt Ronda hoch oben über der 150 Meter tiefen Schlucht El Tajo; Hunderte an Blumentöpfen im gleißenden Sonnenlicht vor tiefblauem Himmel; leuchtend gelbe Orangen inmitten sattgrünen Laubs. Andalusien ist eine Region der starken Farben und des intensiven Lichts. Dutzende Naturreservate und unterschiedlichste Landschaftsformen konkurrieren mit einer überwältigenden Fülle an Kulturschätzen.
Phönizier und Griechen, Karthager, Römer und Westgoten hinterließen ihre Spuren. 800 Jahre lang (ab 711) herrschten die Mauren: Wir verdanken ihnen Monumente von unsterblicher Schönheit. Die „großen Drei“ Andalusiens repräsentieren die Höhepunkte maurischer Kunst: der Märchenpalast der Alhambra von Granada; der Säulenwald der Moschee Mezquita in Córdoba sowie die Residenz des Alcázar in Sevilla.
Märchentraum Alhambra. Die weltberühmte Alhambra in Granada ist die einzige komplett erhaltene islamische Palastanlage der Welt. Die „rote Burg“ mit gewaltigen Dimensionen (720 mal 220 Meter) wurde ab 1238 als Residenz für Boabdil, den letzten König der Nasriden-Dynastie, errichtet. Unter der 250-jährigen NasridenHerrschaft erlebte Granada eine unvergleichliche Blütezeit und konnte sich als letzte maurische Bastion in Spanien halten.
Nach außen wirkt die Alhambra schlicht, doch in ihrem Inneren entpuppt sie sich als Meisterwerk mit unerreichter Ra±nesse. Überall plätschert Wasser und die Gartenanlage Generalife ist ein Paradies auf Erden. Die üppig sprudelnden Quellen werden von der Schneeschmelze in der Sierra Nevada gespeist: Je heißer das Wetter, desto mehr kühles Nass. Das Herzstück, der „Palacio Real“ (Königspalast), wird oft als achtes Weltwunder bezeichnet. Herrliche Ornamentik und Kalligrafie, elegante Säulen, filigrane Zierbecken, offene Wasserläufe, Saalfluchten, Zedernholz-Kuppeln, kühle Innenhöfe: Alles ist von schwereloser Eleganz. Am allerschönsten sind die intimsten Privatebereiche wie der Myrthen- und Löwenhof sowie der Harem. Es ist wie ein Märchentraum aus 1001 Nacht!
-CJB