Reisen und Freizeit
Auf den Spuren von Adonis und Aphrodite
Wie es wirklich war, weiß niemand“, meint Guide Vassilis und deutet auf die Kalkklippen im Meer hinunter. Ohne diesen Hinweis würde man „Pétra tou Romioú“, den sagenumwobenen AphroditeFelsen bei Kouklia an der südwestlichen Küste Zyperns, glatt übersehen. Der Einfamilienhaus-große Klotz liegt genauso schro¥ und zerklüftet da wie Tausende andere auf der drittgrößten Mittelmeerinsel auch. Trotzdem ist er der Stein der Steine. Denn was sich hier dereinst ereignet haben soll, ist heute auf dem beliebten Bade-Eiland allgegenwärtig: der Aphroditekult.
Aphrodite, die Schaumgeborene: Dieses Schlagwort taucht bei jeder Zypernreise auf. Die „wahre“ Geschichte ist – wie so vieles in der antiken Mythologie – eine recht gruselige: Die Urgötter Gaia (Erde) und Uranos (Himmel) sorgten für eine große Nachkommenschaft. Doch der eifersüchtige Uranos verbannte alle Sprösslinge in die Unterwelt. Die erzürnte Gaia hetzte ihren Lieblingssohn Kronos gegen den Vater auf, der ihn mit einem einzigen Sichelhieb entmannte. Uranos’ unsterbliches Geschlecht landete achtlos im Meer – und wurde in Zypern an Land gespült. Das Meer begann zu toben und aus dem weißen Schaum wuchs die Gestalt einer wunderschönen Göttin empor: Aphrodite. Zuständig für Liebe, Schönheit und Fruchtbarkeit. Wo immer sie ihre grazilen Füßchen auf das Land setzte, sprossen Blumen.
Herrliche Sandstrände, türkisblaues Meer und über 340 Sonnentage im Jahr bieten andere Mittelmeerdestinationen auch. Doch Aphrodite ist ein echter Bringer: Ihre Spuren sind an zahlreichen – stets landschaftlich sehr reizvollen – Schauplätzen zu finden. Verbunden mit handfesten Tipps für Zypernreisende: Wer etwa Hand in Hand mit seinem Liebsten dreimal um den Aphrodite-Felsen schwimmt, kann sich ewiger Liebe und Treue sicher sein. Zweifler meinen, das funktioniere nur bei Vollmond. So greifen viele auf die denkbar einfachste Lösung zurück: Einer der farbigen Kieselsteine des mythischen Geburtsstrandes heimlich ins Gewand eines geliebten Menschen geschmuggelt, soll dasselbe bewirken.
Zauberhafte Akámas-Halbinsel. Aphrodite heiratete Hephaistos, den hinkenden Gott des Feuers und der Schmiede, doch sie betrog den Gemahl mit zahlreichen Liebhabern nach Strich und Faden. Sohn Eros entsprang der Liaison mit Kriegsgott Ares. Aber keinen ihrer Verehrer liebte die attraktive Betrügerin so unsterblich wie Adonis, einen schönen Hirtenjungen königlicher Abstammung. Als Ares von seinem perfekt gebauten Nebenbuhler erfuhr, verwandelte er sich in einen tobenden Eber und tötete Adonis. So wurde auch er auf Zypern unsterblich.
Die herrliche Landschaft der AkámasHalbinsel im äußersten Nordwesten der Insel (wo sich die Tragödie ereignet haben soll) ist einer göttlichen Liebe durchaus würdig: Sie präsentiert sich als grünes, blühendes, unverbautes Natur(schutz)paradies. Ein Drittel der Pflanzenarten Zyperns sind hier beheimatet, 35 gibt es nur auf der Akámas. Speziell im Frühjahr blüht und duftet es in allen Farben und Nuancen: wilde Orchideen, filigrane Zyklamen, grellgelbe Kronenblumen, zarte Zistrosen. Dichtes Gras polstert den Boden zwischen Wacholder, Rosmarin und Olivenbäumen. Helle Kreidefelsen flankieren menschenleere Buchten, vom Aussterben bedrohte Meeresschildkrö- ten brüten an den Stränden und zerfurchte Karsthöhlen bieten Ziegen und Schafen Unterschlupf. Ein Paradies für Wanderfreunde: Sie finden Naturlehrpfade und gut markierte Wanderwege. Natürlich darf auch ein Adonis- sowie Aphrodite-Trail nicht fehlen, nebst Adonis-Wasserfällen oder dem Bad der Aphrodite.
Antike Ruinen.Das Küstenstädtchen Paphos – ganz in der Nähe des Geburtsorts der Liebesgöttin – war sechs Jahrhunderte lang Inselhauptstadt und ist UNESCO-Weltkulturerbe. Hier bzw. in der Umgebung gibt es viel Kultur: etwa den heiligen Garten der Göttin im Dorf Geroskipou mit der freskengeschmückten Fünfkuppelkirche Ayia Paraskevi aus dem 9. Jahrhundert; weiters die römischen Villen Dionysos und Aeon mit sehenswerten Mosaiken oder in den Felsen gehauene hellenistische Königsgräber. In Kato Paphos gefällt die byzantinische Kirche Chrysopolitissa, die im 13. Jahrhundert über den Ruinen der größten frühchristlichen Basilika Zyperns errichtet wurde.
Das Aphrodite-Heiligtum Palaipaphos (antikes Paphos) im Dorf Kouklia war einst nah und fern berühmt: In dieser rätselhaften Kultstätte wurde bis ins 4. Jahrhundert nach Christus der Aphrodite-Kult gepflegt. Später entstand auf den Ruinen des Tempels eine Kirche (der „Panagia Aphroditissa“ geweiht). Das idyllisch gelegene Heiligtum wird bis heute mit Schnüren umwickelt: zur angeblichen Abwehr böser Geister. Was tut man nicht alles für die Liebe.
-CJB