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Annas Strecken zum Schinden
Wo untrainierte Radler längst schnaufen und mit Höchstpuls „blau“ werden, fährt sich Olympiasiegerin Anna Kiesenhofer gerade einmal warm. Tägliche Trainingseinheiten sind die Norm für Radprofis – nur so kann man sein Potenzial voll ausschöpfen. „Bei Hobbyfahrern ist die Trainingszeit natürlich beschränkt“, weiß Kiesenhofer, „aber jeder Kilometer zählt und mit einem klugen Trainingsplan kann man die Zeit optimal nützen.“ Die Power für ihre nächsten Rennen holt sie sich auf speziellen Strecken – möglichst abwechslungsreich und fordernd. Und am besten viel bergauf. Denn Kiesenhofer liebt Anstiege, hier kann sie ihr Potenzial am besten ausspielen.
Olympiasiegerin und ARBÖ-Fahrerin Anna Kiesenhofer verrät der Freien Fahrt ihre Trainingsstrecken und Lieblings reviere. Vergessen Sie dabei beschauliche Radtouren und Radwege – hier geht’s gleich zur Sache und großteils ordentlich bergauf ...
Anna Kiesenhofer
Erfolgsstory. Die gebürtige Oberösterreicherin wuchs im Weinviertel (NÖ) auf und fährt im Team Cookina ARBÖ ASKÖ Graz. Die mehrfache österreichische Staatsmeisterin im Einzelzeitfahren und Straßenrennen konnte 2021 bei den Olympischen Spielen in Tokyo überraschend Gold im Straßenfahren holen.
Privat hat die 31-jährige ihren Beruf als Mathematikerin derzeit an den Nagel gehängt und hat in die Radprofiszene gewechselt. Sie lebt mit ihrem Lebensgefährten in der Schweiz (Kanton Wallis), wo sie beste Trainingsbedingungen vorfindet.
Ihre nächsten großen Ziele sind die Vuelta in Spanien und die WM in Australien. In weiter Ferne, aber nicht minder wichtig: die Olympischen Sommerspiele 2024 in Paris.
Österreich: Ost und West
Die heimischen Lieblingsplätze von Kiesenhofer finden sich im Osten und im Westen des Landes: Neben Tirol hat es ihr auch der abwechslungsreiche Wienerwald angetan.
● Wienerwald: Während ihres Studiums und auch jetzt bei ihren Besuchen in der Heimat im Weinviertel war und bleibt der Wienerwald eines der Lieblingsreviere von Kiesenhofer. „Speziell bei längeren Ausfahrten kann man hier auch gleich ein paar Trainings-Höhenmeter in wunderschöner Umgebung mitnehmen. Beispielsweise Tulbinger Kogel, Scheiblingstein oder Sofienalpe”, schwärmt Kiesenhofer.
● Tirol: „Da passt einfach alles!” Neben der malerischen Bergkulisse gefallen Kiesenhofer die unterschiedlichen Tourenmöglichkeiten. In den vielen Seitentälern finden sich zahlreiche lohnende Strecken. „Leider war ich nie lange genug in Tirol, bin aber hin und wieder hier bei Radmarathons mitgefahren. So etwa beim Ötztaler Radmarathon oder beim Endura Alpentraum.”
Frankreich: Nizza bis Genfer See
Kiesenhofers Tipp für Frankreich: Auf den Spuren der Tour de France. „Mit meinem Freund bin ich über mehrere Tage von Nizza bis zum Genfer See gefahren (siehe Karte links). Wir haben in Gästezimmern übernachtet und nur Minimalgepäck am Rennrad mitgeführt. Bei dieser Tour überquert man einige der bekanntesten Tour-de-France-Anstiege. Hier kann man tolle Landschaft und Top-Gastronomie genießen. Abschnittsweise gibt es manchmal leider viel Autoverkehr.”
Schweiz: Hoch hinauf im Wallis
Nicht umsonst wohnt die Olympiasiegerin im Rhône-Tal im Wallis, umgeben von unzähligen wunderschönen und auch fordernden Anstiegen. Das Wallis ist ein wahres Dorado für Radfahrer, speziell fürs Rennrad. „Meine liebsten Berge zum Radfahren sind der Col de la Croix-de-Cœur, der Sanetsch, der Dixence oder die Seen Moiry und Emosson”, schwärmt Kiesenhofer.
Die bergigen Highlights:
● Col de la Croix-de-Cœur. Der angenehm gleichmäßig zu fahrender Pass (2174 m) liegt am westlichen Ende des Wallis. „Der Ausblick oben ist absolut fantastisch und schon deswegen eine Tour wert.”
● Col du Sanetsch. Der am westlichen Ende des Walliser Haupttals gelegene Pass (2250 m) ist einer der ganz großen Schweizer Pässe. „Allerdings kann er nicht in eine klassische Runde mit eingebunden werden, da auf der Nordseite lediglich ein Schotterweg vorhanden ist. Dafür gibt’s hier ordentlich Höhenmeter zu sammeln.”
● Barrage de la Grande Dixence. Die Barrage de la Grande Dixence im Wallis ist der Abschluss des Val d’Hérémence, eines Paralleltals des bekannteren Val d’Hérens. Hier geht’s hinauf auf 2141m zur imposanten Stauanlage Grande Dixence, die mit 285 Metern Höhe die größte Staumauer Europas markiert.
● Lac d’Emosson. Anspruchsvolle Tour auf den Col de la Gueulaz (1965 m), unter Radlern auch unter dem Namen Finhaut-Emosson bekannt. Endpunkt ist der Stausee Lac d’Emosson mit TopAussicht und Blick auf den Mont Blanc.
● Lac de Moiry. Äußerst anspruchsvolle Tour mit beträchtlichen Höhenmetern und langen Wegen hinauf zum Stausee Moiry (2349 m). Am Ende wartet ein grandioser Blick auf den Stausee und den Gletscher.
Spanien: Ruhe im Hinterland
Katalonien. Neben dem Baskenland im Norden (hier hat Anna Kiesenhofer schon einige Radrennen bestritten) schätzt die Radsportlerin besonders das Hinterland von Katalonien: „Ich habe einige Jahre in Arenys de Mar, in der Nähe von Barcelona, gelebt. Die nicht weit davon entfernte Küstenstraße zwischen Tossa de Mar und Sant Feliu de Guixols ist sehr empfehlenswert und ein guter Tipp zum Radeln. Generell liebe ich die katalanische Landschaft und die Kultur.” Unglaublich schön und empfehlenswert sind die kleinen Orte im Landesinneren. Im ruhigen Hinterland ist man weg vom Verkehr und dem hektischen Leben an der Küste. Dort locken auch zahlreiche schöne Radstrecken – am besten online oder im Tourismusverband vor Ort erkundigen:
Highlights im bergigen Nordosten Spaniens:
● Ribes de Freser. Kleine Gemeinde in den spanischen Pyrenäen, perfekter Ausgangspunkt für zahlreiche Rennradtouren.
● Collada de Toses. Einer der höchsten katalanischen Pässe (1800), liegt nordwestlich von Ripoll. Angenehm kühles Hochlandklima und geringe Steigung, dafür aber mitunter starker Verkehr.
● Rupit. Wunderschönes MittelalterDorf mit einer Vielzahl an Touren.
● La Pobla de Lillet. Idyllisches Bergdorf (mit Schmalspurbahn-Museum) in der Nähe von Andorra mit tollem Wegenetz.
● Castellar de n’Hug. Das winzige Bergdorf liegt in imposanter Landschaft und ist per Museumseisenbahn mit La Pobla de Lillet verbunden. Tipp für das Winter-Training: Calp. Die Stadt an der spanischen Mittelmeerküste (Provinz Alicante) ist als Wintertrainingslager sehr empfehlenswert. „Nach dem Radeln locken Meer und ein toller Strand.”