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„Bei CNG muss man auf nichts verzichten“
Freie Fahrt: Herr Neumann, der Erdgasantrieb führt seit vielen Jahren ein Schattendasein, den Durchbruch hat er immer noch nicht geschafft. Warum soll man gerade jetzt Erdgas fahren, wo doch immer mehr Hersteller auf Elektromobilität umschwenken?
STEPHEN NEUMANN: Wir haben unsere CNG-Offensive (Compressed Natural Gas) im Jahr 2017 gestartet. Seitdem hat der Volkswagen-Konzern sein Fahrzeugportfolio mit dieser Technologie kontinuierlich ausgebaut. 2018 war ein gutes Jahr für die CNG-Mobilität und wir haben unsere Verkäufe gegenüber dem Vorjahr nahezu verdoppelt. Derzeit bieten wir unseren Kunden den CNG-Antrieb in 17 PkwModellen an – und das in unterschiedlichen Segmenten, vom Kleinwagen bis zur PremiumMittelklasse und in fünf Marken im Konzern.
Demnächst kommen dann noch zwei weitere Modelle von Skoda hinzu. Auch der VW Golf in seiner achten Generation wird wieder in einer CNG-Variante kommen. Somit ist die CNGTechnologie sofort verfügbar. Darüber hinaus ist sie kostengünstig und leistet einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz.
Klar ist aber auch: Unsere Leittechnologie ist die E-Mobilität. Wir sind
dem Pariser Klimaschutzabkommen und damit dem Null-CO 2-Emissionsziel bis spätestens 2050 verpflichtet. Und VW ist damit Vorreiter. Auch wenn die E-Mobilität den Schwerpunkt auf dem Weg zu einer CO2-freien Mobilität in Richtung 2050 setzt, werden die modernen Verbrenner-Antriebe – und damit insbesondere auch CNG – eine wichtige Rolle spielen.
Hersteller wie Mercedes und Opel sind von CNG abgesprungen. Wieso forciert der VW-Konzern nun Erdgas?
Die CO2-Emissionen eines CNGAutos sind deutlich niedriger als die der vergleichbaren, konventionell betriebenen Fahrzeuge, weil bei der Verbrennung von CNG bis zu 25 Prozent weniger CO2 entsteht als bei der Verbrennung von Benzin. Grund ist der niedrige Kohlenstoffanteil und der hohe Heizwert von Methan, dem Hauptbestandteil von Erdgas. CNG-Fahrzeuge sind dabei prinzipiell nicht von Fahrverboten bedroht.
Wer sein Fahrzeug mit BioCNG oder e-Gas betankt, verkleinert seinen CO2-Fußabdruck sogar noch weiter. Denn Bio-Methan wird aus pflanzlichen Reststoffen gewonnen, e-Gas – also synthetisches Methan – aus Grünstrom (Powerto-Gas-Verfahren). Erdgas, BioCNG und e-Gas können in beliebigen Mischungsverhältnissen getankt werden, ohne technische Änderungen oder Anpassungen an Motor oder Fahrzeug durchführen zu müssen. BioCNG bzw. Bio-Methan ist in ausreichender Menge verfügbar und kann heute schon zu mehr als 80 Prozent CO2-Reduktion beitragen.
Beim Antrieb mit Gas – also mit Methan – können wir seitens VW mit Fug und Recht behaupten, dass wir führend sind – auch, weil wir diese Technologie weiter ausbauen. Dieser Antrieb hat im Konzern somit auch weiterhin einen hohen Stellenwert.
Stichwort BioCNG – richtig umweltfreundlich ist Erdgas erst mit Biomethan. Wie sieht es da mit der Erzeugung aus?
Wir sind heute damit schon auf einem guten Weg. In Deutschland haben wir derzeit einen Anteil von ca. 20 Prozent BioCNG an den Tankstellen. Dieser BioCNG-Anteil im Kraftstoff zahlt direkt in die Klimabilanz ein und führt dazu, dass jedes CNG-Auto heute bereits insgesamt eine zwischen 35 und 40 Prozent bessere CO 2-Bilanz als ein vergleichbarer Benziner hat.
In Deutschland können die Kunden bereits an mehr als 140 CNG-Tankstellen sogar 100 Prozent BioCNG tanken (Anm.: in Österreich gibt es derzeit 4 BioCNG-Tankstellen, von insgesamt 156 Erdgas-Tankstellen).
Unser Bestreben ist natürlich, das Angebot für BioCNG zukünftig europaweit deutlich auszuweiten. Mit einer Betankung von BioCNG sind die Fahrzeuge dann nahezu klimaneutral unterwegs, denn das darin enthaltene Methan wird zu 100 Prozent aus pflanzlichen Reststoffen beziehungsweise biologischen Abfällen hergestellt. Und das bedeutet auch, dass jede Steigerung des Anteils an BioCNG einen Beitrag zur Dekarbonisierung des Straßenverkehrs darstellt.
Eine weitere Möglichkeit zur Reduzierung der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen stellt das Power-to-GasVerfahren dar. Hier wird mit dem Einsatz von überschüssigem Ökostrom synthetisches Methan erzeugt, das dann ebenfalls nahezu klimaneutral als Antrieb für CNG-Fahrzeuge genutzt werden kann. Mit einer entsprechenden Anlage in Niedersachen ermöglicht Audi seinen Kunden, die aktuellen gtron Modelle somit fast CO2-neutral zu bewegen.
Warum fungiert hier besondersSeat als Erdgas-Zugpferd?
Innerhalb des Konzerns hat sich Seat als führende Marke für die CNG-Technologie positioniert. So kündigte der Vorstandsvorsitzende von Seat an, dass das Technologiezentrum von Seat, in dem über 1000 Ingenieure tätig sind, für den VW-Konzern die CNG-Technologie noch weiter vorantreiben wird. Erklärtes Ziel ist, sich als Technologiezentrum von internationalem Rang zuetablieren. Dazu sagte Luca de Meo als CEO der Marke Seat bereits vergangenes Jahr: „Wir möchten dieser Technologie unbedingt den Stempel ,Made in Spain‘ aufdrücken und sind davon überzeugt, dass unsere Pionierleistung von Erfolg gekrönt sein wird.“
Aus unserer Sicht ist Seat besonders geeignet, um die CNG-Technologie weiter voranzubringen, auch als Imageträger. Seat bietet bereits fast seine gesamte Modellpalette mit CNG an – und das mit attraktiven Designs und Ausstattungsvarianten. Zusätzlich hat Seat kürzlich das erste SUV mit CNG auf den Markt gebracht und damit Pionierarbeit geleistet. Ich bin zuversichtlich, dass das Engagement von Seat weitere positive Abstrahleffekte generiert.
CNG wird an der Tankstelle in Kilogramm verkauft. Ein Preisvergleich mit Benzin und Diesel fällt deshalb schwer. Auch ein Grund für die „Hürde” Erdgas?
Der Energiegehalt von einem Kilogramm CNG entspricht etwa dem von 1,3 Litern Dieselkraftstoff beziehungsweise 1,5 Litern Superbenzin. Anders gerechnet: Ein Kilogramm CNG hat einen um fast 50 Prozent höheren Energiegehalt als ein Liter Benzin – 13,3 Kilowattstunden (kWh) stehen 8,6 kWh gegenüber. Ein Liter Diesel kommt auf 9,9 kWh.
Konkret: Die Nutzung von CNG anstelle von Benzin oder Diesel führt zu einer erheblichen Senkung der Kraftstoffkosten.
Ein Beispiel: Wer einen VW eco up! fährt kommt bei einem CNG-Preis von 1,10 Euro pro Kilogramm und einem durchschnittlichen Verbrauchswert von 2,9 Kilogramm pro 100 km auf Kraftstoffkosten von 3,19 Euro je 100 Kilometer. Die vergleichbare Benzinmotor-Variante dieses Modells verursacht Kraftstoffkosten von 5,90 Euro je 100 Kilometer (bei einem Preis von 1,31 Euro je Liter Benzin).
Wie Sie in Ihrer Frage richtig feststellen, führen die Angaben in Kilogramm dazu, dass die Vergleichbarkeit für Kunden erschwert wird. Der Grund, dass wir hier noch nicht weiter sind, hängt unter anderem mit Herausforderungen im Eichgesetz zusammen. Hier müssen z. B. auch mit der Politik noch ein paar Hürden gemeistert werden. Dieses würde uns tatsächlich viel Aufklärungsarbeit ersparen.
Als Kunde kann man im VWKonzern aus zahlreichen Antrieben wählen – Benzin, Diesel, Mild-Hybrid, Plug-in-Hybrid, Elektro und eben auch Erdgas. Was würden Sie empfehlen?
Letztlich ist es immer die Entscheidung der Kunden, was für ihr individuelles Nutzungsverhalten und die Transportaufgabe der ideale Antrieb ist. Und wir sind stolz darauf, ihm diese breite Palette an Auswahlmöglichkeiten anzubieten.
Für mich ist CNG eine sofort verfügbare, kostengünstige und umweltschonende Antriebstechnologie. Bei deren Nutzung müssen die Kunden gegenüber anderen Antrieben auf nichts verzichten. Daher empfehle ich immer, auch den Kauf eines CNG-Fahrzeugs in Erwägung zu ziehen.
Vielen Dank für das Gespräch.