Magazin
Die Retter aus der Luft
Um Himmels willen, da ist jetzt was Schlimmes passiert!“, ist bei vielen der erste Gedanke beim Anblick eines landenden Rettungshubschraubers. Und das nicht ganz zu Unrecht, wie ich während meines Tages beim Team der ARA Flugrettung festgestellt habe. Denn hier zählt jede Minute!
„Cabin crew clear?“, funkt Pilot Michael Ferchland aus dem Cockpit. „Clear“, erwidert Flugretter und Notfallsanitäter Franz Augustin, nachdem er sichergestellt hat, dass alle angeschnallt auf ihren Plätzen sitzen. Ferchland und sein Kollege HEMS-TC (Helicopter Emergency Medical Services Technical Crew Member) und Winden-Führer Wolfgang Linzer sind Teil der vierköpfigen Helikopter-Crew des ARBÖ-Partners ARA Flugrettung. „Clear“ – damit ist die Freigabe zum Abflug erteilt. Linzer bestätigt die Koordinaten des Unfallorts. Über Funk sind er und Pilot Ferchland im ständigen Austausch mit der Zentrale. Die Crew mit Notärztin Dr. Gerhild PruggerBuxbaum weiß zu diesem Zeitpunkt nur die Eckdaten von der Landesleitstelle Kärnten: Ein etwa 80-jähriger Mann soll gestürzt sein; starke Blutung nach Amputation.
Wir heben ab! Für einen Rettungsflug erstaunlich sanft, denke ich mir. Dagegen wackelt die Wiener U-Bahn oft stärker. Das Team geht vom Schlimmsten aus. Jeder Einzelne (außer mir!) ist aber die Ruhe selbst und weiß genau, was zu tun ist.
Welches Rettungsmittel wann zum Einsatz kommt, entscheidet die Rettungsleitstelle nach Eingang des Notrufs. Bei der Entscheidung, ob der Transport im Rettungswagen oder im Hubschrauber erfolgt, spielen vor allem der Zeitfaktor und der Zustand des Patienten eine entscheidende Rolle.
Schon nach knapp zehn Minuten erreichen wir unser Zielgebiet. Jedes der Crewmitglieder hält Ausschau nach dem richtigen Einsatzort. „Leider können wir aus der Luft keine Hausnummern erkennen, deshalb sind wir auf das Winken von Angehörigen oder des Rettungspersonals angewiesen, die so auf sich aufmerksam machen“, erklärt Ferchland.
Schnell ist ein geeigneter Landeplatz auf einer nahe gelegenen Weide gefunden. Jetzt ist Fingerspitzengefühl gefragt. Ich bin total angespannt, denn es ragen überall Weidezäune aus dem Boden und in unmittelbarer Nähe befinden sich Hochspannungsleitungen.
Aber alles kein Problem für das routinierte Team. In wenigen Minuten landen wir butterweich in Kleindombra oberhalb von Millstatt. Währenddessen wurde der Patient von den bereits anwesenden Rettungskräften erstversorgt. Es stellte sich heraus, dass es sich nicht wie anfangs vermutet um eine Amputation infolge des Sturzes handelt, sondern dem Mann erst kürzlich das Bein amputiert werden musste und die noch frische Operationsnaht beim Sturz wieder aufgeplatzt war.
Nachdem der Patient aber soweit stabil ist und die Blutung unter Kontrolle, entschieden sich die Rettungskräfte doch für einen Transport per Krankenwagen. „Ja, auch solche Einsätze gibt es“, erklärt Flugretter Augustin. „In diesem Fall hätten uns unsere bodengebundenen Kollegen nich zwingend gebraucht, aber besser einmal zu viel geflogen als einmal zu wenig.“
Während des Rückflugs füllt Notärztin Dr. Prugger-Buxbaum, die hauptberuflich im LKH Villach als Anästhesistin tätig ist und 18 Jahre Erfahrung als Flugrettungsärztin mitbringt, in der Kabine den Einsatzbericht aus. Langsam lässt auch meine Anspannung nach und ich kann die Aussicht auf den Millstätter See genießen.
Zurück in der Basis gibt es für das Rettungsteam nur eine kurze Verschnaufpause. Wir werden zum nächsten Einsatz gerufen: Eine Wanderin ist von einer Wespe gestochen worden. Sie hat bereits starke lokale Schwellungen. Sollte die Patientin allergisch reagieren, können die Schleimhäute sehr schnell gefährlich stark anschwellen und die Atemwege verengen oder gar verschließen. Eine lebensgefährliche Situation.
Wieder geht alles sehr rasch und kontrolliert. Nach einer Viertelstunde Flug landen wir punktgenau in der Nähe der Wanderroute auf einer freien Anhöhe. Die rüstige Wanderin ist sichtlich geschwächt. Zur Weiterversorgung transportieren wir sie nach nur 15 Minuten Flug ins nahe gelegene LKH Villach.
Für einen kurzen Augenblick „pausieren“ wir noch am Dach des Krankenhauses. Der Ausblick bei klarem Himmel und Sonnenschein ist gigantisch. „Schon alleine wegen der Aussicht ist der Job absolut empfehlenswert“, scherzt Rettungssanitäter Augustin. „Und es ist ein super Gefühl, geholfen zu haben!“
Kompetenz in jedem Gelände
Zu den häufigsten Notfällen zählen die internistischen (Herzinfarkt) und neurologischen (Schlaganfall), gefolgt von Verkehrs- und Freizeitunfällen. Der hochmoderne Notarzthubschrauber H 145 verfügt über eine umfangreiche medizinische und technische Ausstattung. Er eignet sich sowohl für Einsätze in der Flugrettung als auch für den Transport von Intensivpatienten bis zu 250 kg Köpergewicht zwischen Kliniken.
Auch der Flug von Neugeborenen mittels Inkubator ist dank des verhältnismäßig großzügigen Platzangebots möglich.
Immer dann, wenn der Helikopter nicht beim Patienten landen kann, kommt die Rettungswinde zum Einsatz. Dies ist besonders häufig in alpinem Gelände der Fall. „Mit der fest installierten Rettungswinde sind die neuen Notarzthubschrauber H 145 für Einsätze in alpinem Gelände bestens ausgestattet. So können wir sehr flexibel und nahezu überall beste notfallmedizinische Versorgungqualität bieten”, so Thomas Jank, Geschäftsführer der ARA Flugrettung, stolz. Die ARA Flugrettung fliegt an ihren beiden Stationen in Reutte und Fresach rund 1800 Einsätze pro Jahr etwa jeder siebente davon mit Winde.