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Leere Versprechen?
Vielen Besitzerinnen und Besitzern von E-Fahrzeugen ist es bereits unangenehm aufgefallen: Die im Prospekt suggerierten Ladeleistungen werden bei Weiten nicht erreicht. Mal geht die Ladung langsamer und manchmal deutlich langsamer voran.
Aber woran liegt das? ARBÖ-Schulungsleiter Rupert Brugger erklärt den technischen Hintergrund:
Ladeleistungen hängen gleich von mehreren Faktoren ab. Die Ladesäule und das im Fahrzeug verbaute Ladegerät sind zwei Faktoren. Können aber sowohl Ladesäule als auch Ladetechnik ihr volles Potenzial ausschöpfen, so gibt es immer noch einen Dritten in dieser Gleichung: den Akku bzw. die Antriebsbatterie selbst.
NMC- oder LFP-Akku? Beginnen wir „im“ Akku und werfen wir einen Blick auf die chemische Zusammensetzung. Ein zentraler Faktor ist das verwendete Material am „Pluspol“ des Akkus. Man liest häufig von „NMC“-, „NCA“- oder „LFP“-Akkus. Hinter diesen Abkürzungen verstecken sich Materialien wie Lithium (L), Nickel (N), Mangan (M), Cobalt (C), Aluminium (A), Eisen (F) und Phosphor (P). Sie entscheiden gemeinsam über die Lade- und Entladeeigenschaften sowie Speicherkapazität.
Daher ist z. B. ein NMC-Akku (Nickel-Mangan-Cobalt-Akkumulator) in seinen Eigenschaften einem LFPAkku (Lithium-Eisenphosphat-Akkumulator) deutlich überlegen.
Verwendet werden in heutigen Fahrzeugen beide Akku-Typen, weshalb beim Kauf eines Fahrzeugs der genaue Blick auf die technischen Daten lohnt. So können „günstigere“ reichweitenärmere Ausstattungsvarianten den LFP-, bessere Ausstattungsvarianten den NMC-Akku verbaut haben. Spätestens an der Ladesäule bemerken Sie den Unterschied.
WARUM LÄDT mein E-Auto nicht mit der angegebenen Ladeleistung?
Das hängt von mehreren Faktoren ab, weiß ARBÖ-Schulungsleiter Rupert Brugger: Ladesäule, Ladegerät und nicht zuletzt der Akku sind dabei entscheidend.
Darüber hinaus gibt es noch weitere Einflussfaktoren, die die sogenannte Ladekurve eines Akkus mitbestimmen, zum Beispiel:
Akku zu kalt: Temperaturen von beispielweise unter 0 °C führen zu einem verlangsamten Ablauf der chemischen Prozesse. Für den Akku bedeutet dies eine „langsamere Ladung“. Natürlich entsteht durch den Ladeprozess Wärme, dabei muss man mit Bedacht vorgehen. Eine „zu schnelle“ Erwärmung ist eine große mechanische Belastung für die Zellmodule, die vonden Herstellern durch Begrenzung der Ladeleistung vermieden wird. Leider ein Umstand, der die Ladekurve im Winter zusätzlich negativ beeinflusst.
Akku zu heiß: Das ist nun der umgekehrte Nachteil, der im Sommer und nach starker Belastung auftritt. Beim Laden entsteht durch chemische Prozesse Wärme, die abgeführt werden muss. Das Thermomanagement des Autos ist hier gefordert. Daher arbeiten manche Hersteller bereits mit Kältemitteln anstelle der Kühlflüssigkeit im Akku. Jedenfalls nachteilig: Die Zellmodule sitzen auf Wärmetauschern und werden nicht direkt vom Kühlmittel umspült. Eine etwas ineffiziente Methode, die technisch aber „noch“ nicht anders/besser realisierbar ist. Verschiedene Entwicklungsprojekte widmen sich diesem Problem. Ein Serienfahrzeug verfügt jedoch noch nicht über eine derart effiziente Kühlung. Temperaturen von über 60°C müssen vermieden, über 80°C jedenfalls verhindert werden, denn sonst besteht sogar Brandgefahr.
Akku fast voll: Dies bezieht sich auf einen Ladezustand von in der Regel über 80 Prozent. Je „voller“ ein Akku ist, umso „wärmeintensiver“ wird der Ladevorgang. Man könnte theoretisch mit voller Ladeleistung weiterladen – das würde den Akku aber massiv überhitzen und zerstören. Für die hohen Ladeleistungen jenseits der 100 bis 150 kW gelten die 80Prozent natürlich ebenfalls nur selten. Unter idealen Bedingungen ist hier ein Ladezustand von 30 bis 70 Prozent für die maximale Ladeleistung als realistisch anzusehen.
Akku fast leer: Bei einem Ladezustand von nahezu null Prozent ist ebenfalls nicht die volle Ladeleistung möglich, um – wie bereits beschrieben – die Zellchemie und die chemischen Prozesse dahinter nicht zu „überfordern“.
Alter des Akkus: Die Anzahl der Ladevorgänge spielt für die Alterung ebenfalls eine wesentliche Rolle. Die Hersteller berechnen daher in den Steuergeräten einen Batteriegesundheitszustand (SOH = engl. State of Health). Anhand dieser Berechnung wird die Ladeleistung bei zunehmendem Alter des Akkus begrenzt. Dadurch sinkt in der Folge auch die Reichweite. Das Motto lautet: „Safety first“ – besser ein leistungsschwacher Akku als ein beschädigter Akku. Denn eine Beschädigung geht mit einer veritablen Brandgefahr einher.