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Mehr Strom in den Wadeln
Radfahren boomt – besonders in Corona-Zeiten. Die Fahrradbranche zählt eindeutig zu den ewinnern der Pandemie. Wer gerade nicht in Möbel oder Wohnungsrenovierung investiert und zudem das Lockdown-Spazierengehen satt hat, kauft sich ein Rad und schwingt sich auf den Sattel. Ist ja übrigens auch sehr gesund, das Radeln (siehe Seite 34).
Vergangenes Jahr wurden 496.000 Fahrräder verkauft, um 13 Prozent mehr als 2019, auch aufgrund von Corona. Knapp die Hälfte davon (genauer 41 Prozent) waren E-Bikes. Mit mehr als 203.000 E-Bike-Verkäufen sind wir Österreicher Spitzenreiter im DACH-Raum.
E-Bikes brummen und sogar der namhafte Motorradhersteller Harley Davidson will künftig mit seiner frischen E-Bike-Eigenmarke Serial 1 (siehe unten) neue Wege beschreiten.
„Das Fahrrad und speziell E-Bikes haben sich neben den Segmenten Ski und Outdoor in den letzten Jahren zu den stärksten Verkaufsschlagern in der österreichischen Sportartikellandschaft entwickelt“, bestätigt Gernot Kellermayr, Präsident des VSSÖ (Verband der Sportartikelerzeuger und Sportausrüster Österreichs).
Vielfalt. „E-Bike-Kunden kommen aus allen Altersschichten“, weiß Bernhard Kohl, Ex-Radprofi und nun erfolgreicher Radhändler im Süden von Wien. Mittlerweile wird auch die Artenvielfalt bei den E-Bikes immer größer. Sie reicht vom praktischen Stadt- und Trekkingbike – einige davon sogar richtig stylisch – über sportive Mountainbikes mit ordentlich Federweg und kräftigen Bremsen bis hin zu Lastenrädern sowie flotten Renn- und Gravelbikes mit nahezu unsichtbarem integriertem Akku. Wobei die klassische Rennradklientel natürlich (noch) auf die E-Unterstützung verzichtet – Ehrensache. Der Grund ist klar: Ein E-Bike unterstützt lediglich bis Tempo 25 (max. 250 Watt Dauerleistung/max. 600 Watt Spitzenleistung), darüber wird’s nicht nur illegal, sondern auch „zach“, weil das E-Mehrgewicht dann als zusätzlicher Ballast zuschlägt. Und Rennräder laufen eben großteils in Bereichen mit höherem Tempo, wo der E-Antrieb nicht mehr helfen kann.
25 km/h sind zwar nicht langsam, bei Rückenwind oder leichtem Gefälle können herkömmliche leichte Räder den schwereren E-Bikes aber schon einmal davonziehen. Geht es allerdings bergauf, sieht die Sache anders aus – hier hat das herkömmliche Rad keine Chance gegen die Stromer. Der Vorteil von E-Bikes liegt auf der Hand: Man kommt bei Radtouren weiter und höher, auch weniger Trainierte schaffen damit locker Reichweiten von bis zu fünfzig, sechzig Kilometern. Und danach – seien wir ehrlich – beginnt einem der Hintern sowieso wehzutun. Aber auch am täglichen Weg zu Schule oder Arbeit kommt man am E-Bike weniger ins Schwitzen.
„Für Untrainierte bietet das E-Bike den Vorteil, dass man sich meist in einem gesünderen Pulsbereich befindet und nicht so schnell überpowert“, erklärt Kohl. Was aber nicht heisst, dass ein E-Bike nur etwas für Untrainierte ist. Gerade E-Mountainbikes ziehen immer mehr sportive Biker an. Denn mit diesen E-Gämsen sind auch anspruchsvolle Touren im alpinen Bereich möglich, die mit herkömmlichen Mountainbikes schwer realisierbar wären. Der Akku liefert dabei zwar genügend Kraft für gut 1000 Höhenmeter, selber strampeln und dabei ordentlich auspowern ist aber auch hier angesagt.
Kein Vorteil ohne Nachteil: Man sollte sich schon genau überlegen, ob einem dieser Mehrpreis – für ein gutes E-Bike muss man schon mit rund 3000 Euro rechnen – auch wirklich das wert ist. Mit gut 20 Kilo ist ein E-Rad auch deutlich schwerer als ein herkömmliches Rad. Wer schon einmal ein E-Bike auf den Fahrradträger gewuchtet hat, kennt die Gewichtsproblematik. Und auch wer seinen Akku über Gebühr strapaziert und mit leerer Batterie liegen bleibt, kann ein Lied davon singen.
Kauftipp. Was sollte man nun beim E-Bike-Kauf beachten? Ein gutes E-Bike ist mehr als die Summe seiner Teile. Rahmengröße, Komponenten und Ausstattung sind zwar wichtige Eckpfeiler, entscheidend sind aber die persönlichen Anforderungen. Bin ich eher ein Leichtgewicht oder nicht, brauche ich einen starken (und schwereren) Akku für mehr Reichweite oder genügt mir ein leichteres E-Bike? Auch das Fahrgefühl ist wichtig. Derselbe Motor kann sich in einem anderen Rad durch eine geänderte Software unterschiedlich anfühlen.
Wer sich für den Sommer noch rasch ein E-Bike anlachen möchte, braucht neben Geduld auch eine Portion Glück.
„Die Nachfrage ist hoch, das Problem ist die Verfügbarkeit beliebter Modelle. Diese sind nämlich oft schlicht und einfach nicht lagernd. Aufgrund der globalen Corona-Situation sind auch die Lieferketten betroffen“, weiß Bernhard Kohl. Und das wird uns wohl auch noch nächstes Jahr begleiten, ist Kohl überzeugt, der erst 2023 wieder mit einer leichten Entspannung des Marktes rechnet ...
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