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Tod auf Raten?

Droht das Ende der Kleinwagen? Warum verschwinden gerade die Kleinwagen aus den Preislisten der Hersteller? Wir begeben uns auf Spurensuche.

Eigentlich sollten sie ja zurzeit das Ding sein: Kleinwagen. Kleiner Verbrauch, kleiner Fußabdruck in der Stadt – und schon längst keine Spur von Verzicht mehr. Und doch geht es den Kleinen und Kleinsten trotz hoher Beliebtheit an den Kragen: Ford lässt nach 46 Jahren den Fiesta auslaufen, VW up! und Konsorten sind aus den Katalogen gefallen, vor längerer Zeit haben uns der witzige Opel Adam und sein pragmatischer Bruder Karl verlassen. Und Schonzeit gibt es auch gerade keine, denn die Abschussliste ist lang: Dort findet man den Audi A1, der keinen Nachfolger bekommen soll, den ewigen Fiat 500 mit Verbrenner, genauso wie den Mini. Warum stehen diese vor dem Aus? Die Gründe für das Schrumpfen des Klein- und Kleinstwagen-Angebotes sind vielfältig. Jeder Autohersteller achtet im Rahmen der sehr teuren Transformation zur E-Mobilität auf seine Margen – und die sind bei den Kleinen einfach gering. Man konzentriert sich lieber auf größere SUV oder Premiumwagen, die traditionellerweise mehr Gewinn liefern. Auch die steigenden Energiepreise sind hier wenig hilfreich.

Sicherheit kostet. Neue Sicherheitssysteme, die den Weg von Oberklassemodellen zu den Kleinen gefunden haben – und die mithilfe von Euro NCAP von der EU gesetzlich vorgeschrieben werden –, kosten ebenso Geld. Das weiß jeder, der sich über teure Reifendrucksensoren bei der zweiten Garnitur Reifen geärgert hat. Eine der jüngsten Verpflichtungen war der Spurhalteassistent, der seit letztem Sommer bei jeder Typengenehmigung an Bord sein muss. Gleichzeitig wurde das intelligente Geschwindigkeitsassistenzsystem – kurz ISA – beschlossen, dies muss ab Juli 2024 in jedem Neuwagen vorhanden sein. ISA funktioniert im Wesentlichen wie ein adaptiver Tempomat: Dem Fahrer wird optisch (etwa im Zusatzinstrument) und/oder haptisch (z. B. Gegendruck im Gaspedal) das Tempolimit mitgeteilt. Für diese Funktion müssen Kameras und Navi zusammenarbeiten – also Dinge, die beim Kleinwagen eher selten sind. Weiters ab Juli 2024 in jedem Neuwagen Pflicht: Neben dem mittlerweile hinlänglich bekannten Notbremsassistent nun noch eine ereignisbezogene Datenerfassung (Black Box) sowie eine Vorrichtung zum Einbau einer alkoholempfindlichen Wegfahrsperre.

Dieses dauernde Anziehen der Sicherheitsschraube führt zu interessanten Blüten: Erreichte der Fiat Panda zu seinem Marktstart 2011 noch vier Sterne beim Euro NCAP-Crashtest, so bekommt der Wagen heute genau null. Die Frage, ob nicht irgendwann der Zenit der Assistenzsysteme erreicht ist, stellt sich ob der gesetzlichen Vorschrift ohnehin nicht. Wer ohne – oder mit weniger – auskommen will, muss sich einen Gebrauchten kaufen.

Ein weiterer gravierender Knackpunkt wird die Abgasnorm Euro 7 sein, die 2025 eingeführt werden soll. Mit hohem finanziellem Aufwand werden die in diesen Klassen ohnehin geringen Schadsto¨emissionen erneut reduziert. Die Folgenabschätzung der EU-Kommission rechnet mit wenigen Hundert Euro Mehrkosten pro Auto, die Hersteller widersprechen vehement: Renault-Chef Luca de Meo schätzt eine Preissteigerung von sieben bis zehn Prozent, was im Kleinwagensektor eine nicht unerhebliche Summe darstellt.

VW-Markenchef Thomas Schäfer sieht das ähnlich: „Euro 7 wird das A- und B-Segment unglaublich verteuern. In der Folgenabschätzung der EUKommission ist von 200 bis 300 Euro Mehrkosten die Rede, aber das ist Unsinn, denn die Gesamtverteuerung wird viel höher sein als das.“ In der Industrie herrscht Ratlosigkeit. Warum noch enorme Entwicklungen mit kaum messbarer Auswirkung angestrengt werden sollen, wenn der Verbrenner ohnehin zehn Jahre darauf verboten werden soll? Skoda-Vorstandschef Klaus Zellmer sagt sogar, dass der beliebte Fabia eingestellt würde, wenn Euro 7 in der aktuellen Form eingeführt wird.

Die Krux für Konsumenten: Eine leistbare elektrische Alternative gibt es noch nicht. Das günstigste Elektroauto, der Dacia Spring, startet bei € 22.590,–. Das entspricht ziemlich genau zwei Basis-Sanderos, die ab € 11.690,– zu haben sind. Der Renault Twingo e-Tech kostet € 25.740,– und danach ist man mit dem Fiat 500e gleich bei der 30-Tausend-Marke. Ho¨nung kommt aus China: BYD hat auf der Shanghai Motorshow einen kleinen Elektriker namens Seagull vorgestellt, der dort nur € 10.000,– kosten soll. Man darf hoffen, dass er zu einem ähnlichen Tarif auch nach Europa gebracht wird.

Wir empfehlen daher allen, die einen günstigen Kleinwagen suchen, sich noch bis übernächstes Jahr einzudecken. Die Auswahl wird in diesem Segment vorerst nicht größer. -CJ